Royal Bunker

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Freundinnen und Freunde der guten Unterhaltung,

Zwar habe ich einen Test bei der Zielgruppe durchgeführt und mir wurde bescheinigt dieser Text würde sich lesen als käme er aus dem politischen Weltkundeunterricht. Ich schicke ihn trotzdem los. Ihr wisst ja. Herzensangelegenheit! Ich dachte mir nämlich nach den ganzen Überschriften der letzten Tage, nach den ganzen Spiegel Leitartikeln und den ganzen Expertenmeinungen, fehlt doch noch die Stimme des kompetentesten Fachorgans Deutschlands, die Stimme des besten Labels der Welt zum Thema das uns alle berührt und bewegt: Klinsi killt Kahn und Jens Lehmann ist die neue Nummer 1 im Tor. Und DAZU wollten wir uns doch auf jeden Fall nochmal äußern.

Nein, natürlich nicht.

Natürlich geht es um das Thema, in dem wir zu Hause sind, wo wir sozusagen Tür an Tür mit wohnen. Für das wir gerne verantwortlich gemacht werden mit unserer verrohenden Sprache und das wieder einmal die üblichen Saubermänner und Gutmenschen auf den Plan ruft. Es geht um GEWALT an unseren Schulen und die Frage „Was läuft falsch mit den Ausländern?“

Tolle Überschriften waren das in der BILD (die Zeitung, die im Übrigen am meisten von Gastarbeitern der ersten Generation gelesen wird, weil nun ja, die Sprache relativ einfach gehalten ist), großartige Frage auch: Was läuft falsch mit den Ausländern? Leider ist die Frage falsch, oder besser gesagt ist die Frage der Kern des Problems. Denn wenn hier geborene, hier aufgewachsene und vielleicht sogar mit dem deutschen Pass ausgestattete Menschen nach wie vor als Ausländer bezeichnet werden und als nichts anderes, dann ist das mit der Integration ein bisschen schwierig. Als erfahrener Weltenbürger weile ich ja mitunter in New York und was mich an meinem Leben ziemlich ankotzt ist jede Woche dieser Jet Lag, aber trotzdem habe ich dort in einem Hähnchenimbiss einen Typen getroffen, der vorher in Düsseldorf gelebt hat. Mit seinen 3 Jobs und den etwas verrückten Lebenshaltungskosten in New York hatte er es dort bestimmt nicht leicht aber trotzdem fühlte er sich dort etwas wohler, weil er doch New Yorker sein konnte. Es geht manchmal nur um das Gefühl und zu Deutschland sagte er: Deutschland ist egal. 1 Tag dort oder 40 Jahre. Immer Ausländer.“

Nun gibt es jetzt sogar ein Gipfeltreffen zu diesem Thema. Warum? Warum so früh? Liegt doch schon gute 40 Jahre zurück das Thema. Lasst es doch noch 10 Jahre liegen. Kommt doch eh nichts neues raus. CDU/CSU schreien nach mehr Sanktionen und wollen alle raus haben. Die SPD und die Grünen glauben nach wie vor an das Straßenfest mit Döner und Currywurst. Die FDP will eh nur Ausländer mit Geld, die gut ausgebildet neues Kapital ins Land bringen und die PDS hat selbst Integrationsschwierigkeiten in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Obwohl man hier auch mal einhaken müsste und nach der Integrationsfähigkeit der CSU Mitglieder fragen müsste. Ich meine, in Bezug auf Deutschkenntnisse, Toleranz gegenüber Homosexuellen und Gleichstellung der Frau gäbe es da sicher noch ein bisschen Diskussionsbedarf und wenn ich Herr Stoiber wäre, dann würde ich das Maul nicht so weit aufreißen, so kurz vor der Ausweisung.

Versteht mich nicht falsch. Ich finde das 5 Punkte Programm der CSU gar nicht mal so falsch. Gesetzliche Integrationspflicht. Deutschkenntnisse vor der Einschulung werden verlangt. Die Stellung der Frau soll gestärkt werden, also keine Zwangsheirat. Und eine Ausweitung von Integrationskursen. Alles wunderbar. Aber diese Argumentation vor dem Hintergrund zu führen, dass Deutschland nach wie vor kein Einwanderungsland sei, dass an der ganzen Verfehlten Integrationspolitik die letzten 7 Jahre rot/grün verantwortlich seien und dass der Traum von der multikulturellen Gesellschaft gescheitert sei, das ist schlichtweg behindert und bringt keine Punkte. Vor rot/grün waren 16 Jahre lang die Unionisten an der Macht und da wurde konsequent eine Politik der Ausgrenzung betrieben. Wenn man Leuten lange genug sagt, dass sie nicht willkommen sind, dann sollte man sich nicht wundern, dass sie sich auch nicht wie willkommene Gäste verhalten.

Eine andere Überschrift des Integrationsfachblatts BILD lautete demnach auch: „Warum waren die ersten Ausländer noch so höflich?“ Vielleicht weil sie dachten, dass sie hier nett empfangen werden. Hat es ihnen was gebracht? Das ist eine rhetorische Frage und die könnt Ihr Euch ja selbst beantworten. Ich kann mich aber noch gut an Zeiten erinnern, in denen Eltern ihren Kindern gesagt haben, dass sie nicht mit den Ausländerkindern spielen sollen.

Anderes Thema! Eigentliches Thema! Denn eigentlich ist das Thema Integration ein ganz schmieriges und peinliches Ablenkungsmanöver. Das eigentliche Thema heißt:

ES GIBT KEINE ARBEIT MEHR IN DEUTSCHLAND!

Zumindest nicht für Menschen, die keine erstklassige Ausbildung mehr erhalten. Gestern habe ich im Radio gehört, wie Herr Bosbach von der CDU argumentierte, dass es Menschen gibt, die zwar nicht den Rauminhalt eines Zylinders berechnen können, die aber sehr geschickt einen Zylinder bauen können, und dass man auch diese Menschen anerkennen muss. Lieber Herr Bosbach, das haben sie wirklich schön gesagt. Bitte sagen Sie doch auch dazu, dass es leider bald keine Fabriken mehr in Deutschland geben wird, die Zylinder herstellen, weil sich solche Zylinder in Tschechien in Polen oder in Vietnam sehr viel billiger herstellen lassen und dass Kinder oder Roboter das sehr viel besser können. Bitte sagen Sie dann auch dazu, dass es die Herren Unternehmer, Konzerne und Vorstände sind, die Arbeitsplätze ins Ausland verschiffen oder neue Rationalisierungsmethoden einleiten. Und schließlich erklären Sie uns dann noch die wunderbaren Zusammenhänge aus der Welt der Börse, dass nämlich ein Aktienkurs steigt, wenn das dazugehörige Unternehmen den Abbau von 6.000 Arbeitsplätzen verkündet.

Es ist schon super, wenn die Deutschen Großkonzerne kostenlos, gut ausgebildete Akademiker von deutschen Universitäten abstauben können um dann im Gegenzug Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, damit die Gewinne steigen und weniger Steuern gezahlt werden müssen.

Ach die Welt ist ungerecht und ich breche gleich in Tränen aus. Aber Arbeit gibt es trotzdem keine mehr für einen Teil der Bevölkerung und wann stellen sich die Verantwortlichen denn jetzt endlich mal hin und erklären das öffentlich. Hartz 4, man muss die Menschen wieder zurück in die Erwerbstätigkeit drängen. Als würden die Menschen nicht arbeiten wollen. Freundinnen und Freunde. Vor 15 Jahren konnte man bei Daimler Benz noch für 4.500 DM am Fließband als ungelernter Arbeiter anfangen. Hier in Berlin konnte man bei BMW arbeiten oder bei Bahlsen. Wie auch immer. Für 4.500 DM konnte man auf jeden Fall gut und gerne arbeiten gehen. Scheiß was drauf, aber diese Arbeitsplätze gibt es eben nicht mehr und sie werden auch nicht wieder kommen.

Ist ja auch nicht schlimm. Ich finde es nicht tragisch, wenn sich der gute Kapitalismus ausbreitet, Frieden und Wohlstand in die Welt bringt und andere Leute nun gutes Geld verdienen und der Lebensstandard überall auf der Welt steigt und alle teilhaben dürfen an den Segnungen der Warenwelt. Mit einem Wort Globalisierung funktioniert doch so, oder? Ich finde es auch nicht schlimm, wenn Maschinen die Arbeit von Menschen verrichten und Roboter die stumpfsinnige Bandarbeit übernehmen. Das ist doch Großartig. Ein Mensch kann doch viel mehr, als jeden Tag dieselben 5 Handgriffe tausendmal zu wiederholen.

Es gibt ja auf der anderen Seite Arbeitsbereiche, die nicht von Maschinen bedient werden können und in denen die Arbeitsplätze nicht ins Ausland verlagert werden können. Kindererziehung. Krankenpflege. Altenpflege. Bildung ganz allgemein. Der gesamte soziale Sektor. Da braucht man Menschen. Menschen, die sprechen können, die sich kümmern können, die nett sind, die leben, die sich einander zuwenden können. Das können keine Maschinen.

Aber diese Bereiche haben kein Geld. Oder wenn sie noch Geld haben, dann haben sie bald keines mehr, weil es gekürzt wird. Es werden Lehrer gebraucht. Sozialarbeiter, Altenpfleger, Krankenpfleger, Krankenschwestern etc. aber es gibt niemanden, der das bezahlen kann oder will. Komisch, wo doch die Unternehmen, die vorher Tausende entlassen haben nun Milliarden an Gewinnen ausweisen. Jahr für Jahr.

Hier müsste man natürlich über etwas sprechen über das noch weniger gern gesprochen wird, als fehlende Arbeitsplätze. Hier müsste man über das hässliche Wort UMVERTEILUNG sprechen. Über Umverteilung von oben nach unten. Über die Umverteilung von Gewinnen. Von Kapital und von Eigentum. Das riecht nach Revolution. Wow! Aber das würde dann doch ein wenig zu weit führen, oder?

Wie auch immer. Ich weiß, dass die Verantwortlichen nicht darüber sprechen werden und deshalb werden solche Nachtrichten wie aus Neukölln in Zukunft öfters zu hören und zu lesen sein. Die Ausgeschlossenen, die Ohnmächtigen, die Chancenlosen werden sich zur Wehr setzen. Immer öfter, immer Härter. Denn es ist schwierig arm zu sein in einem reichen Land. Man spürt es viel deutlicher, dass man nicht dazugehört. Dass man nicht gewollt wird. Dass die anderen auf einen herabschauen. Und diejenigen in den sicheren oder unsicheren Jobs. Sie werden zurückschlagen. Sie schreien nach härteren Maßnahmen, nach mehr Polizei, mehr Sicherheit. Sie wollen nicht abstürzen. Sie wollen nicht nach Neukölln ziehen müssen. Sie schauen sich Detlev Buck an und gruseln sich, aber in der Sonnenallee machen sie dann doch das Knöpfchen vom Auto runter. Man weiß ja nie. Und wohnen tun wir dann doch lieber in Mitte.

Gewalt. Gewalt ist das einzige Mittel auf das diese Menschen ganz konkret reagieren. Mit Gewalt wollen sie nichts zu tun haben. In ihrer Welt werden Probleme anders gelöst, das heißt mit einer viel versteckteren, dafür aber brutaleren Gewalt. Die rohe körperliche Gewalt erschreckt und verstört sie. Versteht mich nicht falsch. Diese Gewalt wird nichts ändern. Als in Frankreich die Autos brannten, haben manche behauptet dass sei die Revolution. Das ist absoluter Quatsch. Das war blinde Zerstörungswut. Die Leute haben ihre eigenen Autos angezündet und ihre eigenen Wohnviertel kaputt gemacht. Und trotzdem ist diese Gewalt gut in ihrer Blindheit. Für einen kurzen Moment hört die Gesellschaft hin und für einen kurzen Moment gibt es Aufmerksamkeit. Genau wie nach dem 11. September. Genau wie jetzt, wo es sogar einen Integrationsgipfel gibt. Nach 40 Jahren Einwanderung in Deutschland.

Diese Gewalt ist gut, auch wenn sie mich treffen kann, weil ich einen Computer habe und vor allem weil ich diesen Computer bedienen kann. Sie kann mich treffen weil ich diesen geschwollenen Text schreiben kann, weil ich etwas habe und wenn es nur eine gute Ausbildung ist und andere haben das nicht. Es wird keinen Kampf der Kulturen geben. Es ist nach wie vor ein Kampf zwischen Arm und Reich. Zwischen denen die Haben und denen die nichts haben. Zwischen oben und unten.

Wir werden nichts dagegen tun können solange wir dasitzen und uns zukiffen und andere machen lassen. Wahrscheinlich werden wir aber auch nichts tun können, wenn wir nicht nur dasitzen und kiffen und etwas tun.

Wir werden es sehen. Aber sagt nicht, ihr hättet es nicht gewusst. Ich habs Euch gesagt. Rechtzeitig oder vielleicht zu spät. Gesagt habe ich’s auf jeden Fall.

Bis dann. Rock’n’Roll.

staiger

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